Auschwitz – Birkenau

Ankunft im Lager Auschwitz / Birkenau (29. June 1944)

Danuta Czech hat in ihrem Buch „Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945“ für 29. Juni 1944 folgenden Eintrag geschrieben:

„29 Juni 1944

Aus einem Transport des RSHA aus Ungarn werden nach der Selektion 150 Juden, die die Nummern A-15069 bis A-15218 erhalten, als Häftlinge ins Lager eingewiesen. Ein Teil der Jungen und Gesunden wird wahrscheinlich als «Depot-Häftlinge» im Lager festgehalten. Die übrigen Menschen werden in den Gaskammern getötet.

Die Nummern A-8270 bis A-8273 erhalten vier Zwillinge, die der SS-Lagerarzt Mengele unter den ungarischen Jüdinnen ausgesucht hat.“

Beide Zwillingspaare gehörten zu jüdischen Gemeinden von Békéscsaba, A-8270/71 Weisz Anna & Katalin (neolog), A-8272/73 Stern Lea & Hajnal (orthodox) wie aus dem jüdischen Zensus der beiden jüdischen Gemeinden ersichtlich ist.

Danuta Czech erwähnt einen RSHA Transport der, aber wie Zeugenaussagen und Leo Glasers Liste belegt, aus vier Transporten bestand, nämlich von Szeged (3‘199 Personen), Kecskemét (2’642 P.), Nagyvárad (2’819 P.) Békéscsaba (3’118 P.) also um 11‘778 Personen, nach der Liste von Leo Glaser, Kapo der „Kleiderkammer“ wurden aus den vier ungarischen Transporten 838 Männer als arbeitsfähig beurteilt, und kamen als registrierte und als Depot-Häftlinge ins Lager.

Nach der Ankunft befahl man uns, die Wagons sofort in aller Eile zu verlassen und all unsere Habe zurückzulassen. Mit diesem Transport kamen aus der engsten Verwandtschaft väterlicherseits, meine Grossmutter (81 J.), meine Mutter (48 J.) mit mir (14 J.), meine Tante Malvin (40 J.) mit meinem Vetter Tibor (15 J.), meine andere Tante Rózsi (33 J.) mit ihren beiden Söhnen Józsika (7 J.) und Péterke (3 Monate). Von diesen acht Personen überlebten nur mein Vetter Tibor und ich die Shoa.

Gleich nach dem Verlassen der Wagons trennte man Frauen und Männer. Wir mussten uns in Fünferreihen aufstellen und es fing die erste Selektion bei der Rampe an. Mein Vetter und ich, wurden beide auf die Seite der Arbeitsfähigen zugeteilt. Wie ich später, nach mehreren Wochen, herausfand, hatte meine Mutter die erste Selektion auch bestanden.

Ich kann mich auf den Augenblick, als ich von meiner Mutter getrennt wurde, nicht mehr erinnern. Nach der Selektion marschierten wir an der Lagerstrasse – beidseitig mit tiefen Graben und Stacheldraht-Zaun getrennt – zwischen dem BIIc Frauen- und BIId Männer-Lager Richtung Sauna Gebäude. Unterwegs sprachen uns die Lagerinsassen von beiden Seiten der Strasse an und baten uns, ihnen die mitgebrachten Habseligkeiten hinüberzuwerfen, da man nichts ins Lager mit hineinnehmen dürfe. Wir trauten ihnen nicht und klammerten uns zu die wenigen Habseligkeiten, die wir noch besassen, um in Kürze eines besseren belehrt zu werden.

Pictures from Tibor Hirsch 1984

Querschnitt des Barackentyps «Pferdestall», der von der deutschen Wehrmacht zur Unterbringung von Pferden benutzt wurde, diente für uns all Wohnbarakk, Waschraum und Latrine. 40,76 x 9.56 m

Goebbels Kalendárium.

Es wurde sehr viel über die Selektion bei Ankunft an der Rampe geschrieben – die jeder Auschwitz Häftling durchmachte –. Viel weniger, wenn man Arbeitskräfte suchte und Transporte zusammenstellte für andere Arbeitslager. Man fragte, auch nach Leuten für „leichtere Feldarbeiten“.

Man spricht vom Goebbels Kalendarium, ich weiss nicht, ob ich den Ausdruck bereits im Lager kannte oder erst später, sehr viele antijüdische Aktionen ereigneten sich am jüdischen Feiertagen, am Samstagen, wenn die Arbeitskommandos zurückkehrten, im Spital und in Krankenrevieren und auch an hohen jüdischen Feiertagen. Ob dies nur Zufall war? Man vermutet eher eine Absicht dahinter.

Am Jom Kippur, 27. September 1944 – 7 Wochen nach Ermordung der Zigeuner – wurde eine Selektion in BIIe Zigeuner-Lager durchgeführt.Wir, 2-3000 Jugendliche, mussten uns zum „Appell“ aufstellen, Mengele befahl, eine Latte ca. 150 cm hoch zu montieren und wir mussten die Latte passieren, die schwächeren, kleineren wurden in eine Gruppe gesammelt, die grösseren und stärkeren in eine andere. Da wir bereits seit 3 Monaten in Birkenau waren, hatten wir schon eine Ahnung, was das Schicksal der schwächeren sein würde, so es ist verständlich, dass man mit allen Mitteln versuchte stärker, grösser und gesünder auszusehen, für wenige mit Erfolg (Joseph Kleinmann beschrieb die Selektion und wie er entkam in der 68. Sitzung des Eichmann Prozesses). Am Ende der Selektion wurden ca.- 1200 schwächere Jugendliche in zwei Baracken – an der ungeraden Seite in Block 21 und 25 eingesperrt, darunter war auch ich. Ich weiss nicht, wie lange wir eingesperrt waren, ob noch am selben oder erst am nächsten Tag, es kamen einige Funktionäre, darunter – wenn ich mich richtig erinnere – Dr. Epstein, früherer Professor an der Universität Prag, und wählte von unserem Block Nr. 25 noch 21 Jugendliche, die er als arbeitsfähig beurteilte heraus. So dürften wir wieder zu unserer Unterkunft zurückkehren. Ob in dem anderen Block auch eine ähnliche Nachselektion stattfand, kann ich nicht sagen.

Wenige Tage später am 7. Oktober fand der Aufstand des Sonderkommando statt. Das waren die Häftlinge in Vernichtungslagern, die in Krematorien und Gaskammern Dienst leisten mussten. Die dort zugehörigen wurden in Abständen von einigen Monaten selbst umgebracht und durch neue Häftlinge ersetzt. Da die ankommende Transporte immer weniger wurden, rechneten die Mitglieder mit ihrem Tod. Mit Hilfe von Frauen, die in der UNION Munitionsfabrik arbeiteten, erhielten sie Sprengstoff und sprengten das Krematorium 4. Sie wurden überwältigt und die meisten wurden umgebracht, der Todesbetrieb konnte trotzdem weiter gehen.

Wenige Tage später, am Simchat-Thora, am 10. Oktober, fand eine weitere grosse Selektion im Zigeunerlager statt. An die näheren Umstände kann ich mich nicht erinnern, ich vermute, dass man uns ohne grössere Auswahl in zwei Blöcke, 11 und 13 einsperrte. Ich kam in Block 13. Ich weiss nicht, wie mein Vetter Tibi, der fast seit unserer Ankunft beim Blockältesten von Block 11 “Pipel“ (Laufbursche, Putzer) war, von meinem Schicksal erfuhr. Er konnte aber irgendwie erwirken, dass man mich von Block 13 ins 11 verlegte. Seine Überlegung war, dass in dem Block Selektierte aus einem Arbeitslager kamen, und er mit einer Nachselektion rechnete.- oder wollte er mich nur trösten? Ich weiss es nicht! Er gab mir etwas Essen, Seife, Wasser und Jacke, damit ich gepflegter aussehe und so meine Chance sich verbessere, sollte eine weitere Auswahl stattfinden.

Zu einer Nachselektion kam es im Lager nicht mehr. Wir ahnten unser Schicksal, so dass nachts einige versuchten durch die Ventilations-Fenster zu entkommen. Nach kurzer Freiheit wurden sie jedoch gefasst. Die Konsequenz war, dass vermutlich unser Blockältester meldete, dass man kaum Disziplin halten konnte und so im Gegensatz zur bekannten Praxis, wurden wir nicht Nachts mit Lastwagen abtransportiert, sondern wir mussten unter strenger Bewachung mit Hunden, tagsüber in Fünfer Reihen Richtung Krematorium V. abmarschieren. Man führte uns in einen grossen Raum, die Entkleidungsraum des Krematoriums. Wir mussten uns entkleiden, die Kleidungsstücke ordentlich zusammenhalten und dann kamen unerwarteter weise einige Offiziere. Wir mussten einige Übungen machen, um unsere Kondition zu beweisen und anschliessend wurden 51 aus den vielleicht 640 als noch fit für Arbeit befunden. Wir, die 51 durften wir uns von den abgelegten Kleidern bedienen, und während die anderen durch eine Tür die Räumlichkeiten verliessen, konnten wir uns anziehen und das Gebäude verlassen. Draussen, zwischen Gebäude und Zaun sah ich eine Gruppe warten, wahrscheinlich von Block 13. Darunter erkannte ich einen 16 Jahre alten Junge aus meiner Heimatstadt, Alfred R.

Zwischen 5. Juli und 20. Oktober 1945 erschien 5 Ausgabe der Zeitung „Hírek az elhurcoltakról“ (Nachrichten von den Deportierten) mit der Namen in verschiedene DP (Displaced Person) Lagern auf Repatriierung wartende Personen. Die folgenden Personen von Békéscsaba sind auf der Liste:

Nachrichten von den Deportierten